2003-05-19: "Pannen und DC ? McLaren jetzt unter Zugzwang""

Ferrari gewinnt wieder in schöner Regelmäßigkeit Rennen und die Geschichtsschreiber können anfangen sich Superlative für den ersten Fahrer auszudenken, der 6 Formel 1 WM-Titel errungen hat. Die Saison wird genau so langweilig wie die letzte und die 3 letzten Rennen werden nur noch im DSF übertragen.

So könnte man oberflächlich betrachtet die Situation in der Formel 1 beschreiben. Zum Glück ist die Realität etwas komplizierter: der neue Ferrari hat nie eine so dominante Rolle spielen können, wie sein Vorgänger es getan hat. 2 Siege in 2 Rennen sind zwar eine nette Bilanz, doch dass auch in Österreich kein Doppelsieg möglich war und sowohl McLaren als auch BMW.Williams mit jeweils einem Fahrer mit Schumacher mithalten konnten, ist beruhigend.
In so vielen Rennen zuvor konnte man wegen irgendwelcher Unregelmäßigkeiten nicht erkennen, welches Team wie stark ist. Dass Ferrari spätestens mit dem ersten Einsatz des neuen Autos das beste Fahrzeug zur Verfügung hat, ist kein Geheimnis. Dass McLaren deutlich besser zurecht kommt, als noch im Vorjahr und somit wohl ärgster Verfolger der Chaostruppe aus Maranello ist, sollte auch jedem klar sein. Aber wie gut ist BMW.Williams? Was kann Renault mit Alonso ausrichten und wer ist Nr. 5 hinter den o.g. 4 Topteams?

Das zu analysieren fällt verdammt schwer, wenn man nur RTL als live-Informationsmedium nutzen kann. ?Sie verpassen nichts?? außer den Boxenstopps aller Teams, die nicht mit deutschen Motoren oder deutschen Fahrern unterwegs sind, den seltenen Überholmanövern und den meisten Zweikämpfen im Mittelfeld. Aber so viel kann man ja auch gar nicht verpassen. Rundenzeiten, Zwischenclassements und Abstände bekommt man doch auch dann nicht angeboten, wenn man mit RTL live auf Sendung ist. Zum Glück entschädigen die tollen Gewinnspiele, die hoch befriedigenden Bild-in-Bild Werbelösungen und der fachmännische Kommentar für die wenigen informatorischen Unzulänglichkeiten.

Was wir sportlich diese Saison miterlebt haben und sicher noch in viel größerem Maße miterleben werden, als die meisten von Euch sich das vorstellen können, ist die Abhängigkeit der Performence der verschiedenen Teams von der jeweiligen Rennstrecke. Ferrari und McLaren haben solide Autos gebaut, die auf keiner Strecke ernsthafte Probleme bekommen sollten. Da Michelin bis dato die besseren Reifen liefert als Konkurrent Bridgestone, war McLaren in Barcelona näher dran als in Österrreich. Erfreulich ist aber, dass der Abstand zwischen Schumacher und Raikkönen realistisch gesehen nur ca. 20 Sekunden ausmachte. Das stimmt zuversichtlich für die Zeit nach Monaco, wenn auch McLaren die neue Wunderwaffe auspacken wird. Aber das wird wirklich Zeit. Nach den vielen Pannen in Barcelona und der unterirdischen Leistung von Coulthard in Österreich ist Raikkönens Vorsprung in der WM auf magere 2 Punkte zusammengeschrumpft. Und mit diesem McLaren kann selbst er Michael Schumacher nicht besiegen.

BMW.Williams ist eigentlich gar nicht schlecht aufgestellt. BMW hat von der reinen Motorleistung her alles in den Schatten gestellt, was man bisher gesehen hat. Das Problem ist nur die Zuverlässigkeit, wie der Ausfall von Montoya in Österreich zeigte. Außerdem versteht niemand, wie das Auto reagiert. Das ist kein Problem, wenn man zu einer Strecke anreist und von der ersten Runde an eine passende Abstimmung findet. Aber die Mechanik macht dem Team größere Probleme, wenn man, was meist der Fall ist, erst nach der richtigen Abstimmung suchen muss. Hinzu kommt noch, dass das Auto selbst mit bestmöglicher Abstimmung mechanisch einen guten Schritt hinter der Spitze zurück ist. Aber bis jetzt holt Williams erst 90% des Möglichen aus dem Auto heraus. Gelingt es, diesen Prozentsatz zu steigern, ist man nicht nur in Monza und Hockenheim mindestens ein Geheimtipp. Montoya hat ja schon in Österreich gezeigt, dass motorfordernde Strecken dem Williams recht gut liegen.

Ganz anders Renault. Durch den revolutionären Motor mit 110 Grad Zylinderwinkel hat das Auto einen sehr tiefen Schwerpunkt. Addiert man die perfekt darauf zugeschnittene Aufhängung/Feder/Dämpfer-Einheit und eine effiziente Aerodynamik hinzu, weiß man, warum trotz ca. 110 PS weniger Endleistung die Franzosen in einigen Rennen derart auftrumpfen konnten und noch können werden. Denn auch das Ansprechverhalten und die Leistungsentfaltung des Motors sprechen für die 110 Grad Technologie. Schon beim nächsten GP in Monaco und auch in Frankreich und Ungarn wird man sehen, ob es schon für GP-Siege aus eigener Kraft genügt. Mit Alonso ist ein junger und talentierter Fahrer da, der in den letzten Rennen sein Können unter Beweis gestellt hat. Aber auch Jarno Trulli tritt in dieser Kategorie an und wird in Monaco beweisen, dass auch er ein potenzieller GP-Sieger ist.

Enttäuschend hingegen ist für mich Toyota. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich Panis für völlig überschätzt halte. Dass aber das Auto in den Händen beider Piloten auf bisher keiner Strecke den Anschein hinterließ, als wären ohne Ausfälle Punkte zu ergattern, hätte man sich in Köln wohl auch nicht vorstellen können. Aber vielleicht kommen die Japaner wie schon im letzten Jahr erst in der zweiten Saisonhälfte aus dem Winterschlaf.
Dafür beeindrucken die finanzschwachen Teams wie Jordan, BAR und Jaguar doch ab und zu mit Fisichella, Button und Webber die Fachwelt. Ob hier wirklich die Autos so gut sind oder ob einfach nur 3 ganz starke Fahrer mehr als 100% aus diesen Vehikeln herauskitzeln, könnte Thema einer ganzen Diplomarbeit sein. Fakt ist, dass alle 3 ihre Teamkollegen, ob Ex-Weltmeister oder Nachwuchstalent, derart deklassieren, dass man sich doch fragen muss, wie lange sich die Teamchefs das ansehen können, ohne den 2. Fahrer auszutauschen.

Und da wir gerade beim Thema sind, sollte man David Coulthards Leistungen auch noch mal thematisieren. Noch nach dem zweiten Rennen habe ich ihn zum WM-Kandidaten erhoben. In den folgenden 4 Rennen hat er dies Vertrauen nichtmal ansatzweise gerechtfertigt. Und der Österreich GP war wohl einer der Tiefpunkte der langen Karriere des Schotten. Wenn diese noch weiter gehen soll, muss einiges passieren. Aus langen Gesprächen mit Ron Dennis weiß ich, dass der neue McLaren, der definitiv ab dem Kanada-GP zum Einsatz kommt, mindestens eine halbe Sekunde schneller ist, als das bisher eingesetzte Fahrzeug. Wenn Coulthard dann, in dem maßgeblich von ihm mitentwickelten Auto nicht in der Lage ist, Raikkönen die Stirn zu bieten, oder ihm zumindest Schützenhilfe zu leisten, muss sich DC ggf. schon vor Saisonende nach einem neuen Cockpit umsehen.

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